92,5kg und schlechte Vorbilder

Man kann dieser Tage kaum eine Zeitschrift aufschlagen ohne die die Kampagne von Dove, einer Körperpflegemarke des Unilever-Konzerns, zu stoßen.
Slogan: “Meine Schönheit ist meine Entscheidung”.  Okay, für mich als Mann völlig irrelevant. Das ist so selbstverständlich wie “Tagsüber ist es heller als Nachts”.
Für Frauen, denen jahrzehntelang etwas anderes eingetrichtert wurde, mag das nicht so selbstverständlich sein. Das verstehe ich auch.

Was ich nicht verstehe ist, daß ein ungesunder Lebensstil propagiert wird. Man sieht in der Kampagne Frauen (komisch, keine Männer…) die heftig adipös sind.
So adipös, daß gesundheitliche Folgen in absehbarer Zeit eintreffen werden oder womöglich schon eingetroffen sind. Die höher der BMI umso wahrscheinlicher ist das Eintreffen
von lebenseinschränkenden und damit lebensqualitäteinschränkenden Erkrankungen.  Wie beim Rauchen auch. Je mehr und länger man quarzt umso wahrscheinlicher ist es von der
Gesundheit die rote Karte gezeigt zu bekommen. Das ist mittlerweile “common sense” in der Bevölkerung.

Wer trotzdem rauchen will, kann das gerne tun. Man möge nur davon absehen, mir das vor der roten Karte öffentlich als “tollen Lebensstil”, “Ausdruck meiner Individualität” und damit absolut zu befürworten zu verkaufen.  Das ist es nicht. Es ist eine Suchterkrankung, ungesund, teuer, übelriechend und hat Folgen. Immer.

Doppelt so schwer zu sein wie es ideal für einen ist – auch!

Ebenso wie bei Rauchern und Alkoholikern will ich dann auch hinterher nicht vollgejammert werden, wenn die Folgen eingetreten sind. Die Versicherung der Solidarität der Gesellschaft (hauptsächlich der gesetzlich Krankenversicherten) muß genügen. Während die Raucher wenigstens für die Folgen ihres Verhaltens bezahlen (Steuer, Entlastung der Rentenkasse durch Ableben), belasten die Folgen des Übergewichts jahrelang sogar jahrzehntelang die Kassen, in die wir alle einzahlen und darüber hinaus. Lest mal nach was 20 Jahre Diabetes so kosten.

Hier mal ein Einzelschicksal als Beispiel. Ich bin mir sicher, so Einzelfall ist der gar nicht. Ich habe einen Ex-Kollegen, der bei rund 1,75cm lange Jahre immer dicker wurde. Ich lernte ihn mit knapp 30 Jahren und ungefähr 110 Kilo kennen. Pro Jahr nahm er mindestens 5 Kilo zu. Schleichend, wie bei vielen Leidensgenossen auch. Als die Firma umstrukturierte war er bei knapp 150 Kilo. Er stand vor der Wahl mit der Firma zusammen umziehen, jeden Tag eine weitere Strecke zu fahren oder zu kündigen. Da er mietfrei und mit viel Dienstbotenluxus im Hotel Mami wohnt, kam umziehen für ihn nicht in Frage. Für die Fahrtstrecke fehlte damals schon die Fitness, also kündigte er und nahm eine schlechtere Arbeit in Wohnungsnähe an. Mein Vorschlag abzunehmen nahm er nicht an, er sei ein Genußmensch. Bereits ein Jahr später ging der neue Arbeitgeber in Insolvenz und mein Bekannter in die Arbeitslosigkeit. Das war vor zehn Jahren. Der Ex-Kollege futtert mittlerweile in All-You-Can-Eat-Buffets (Genußmensch, ich lach ja…), wiegt um die 200 Kilo, kann sich kaum bewegen und fand nie wieder einen Job. Dafür sitzt er den ganzen Tag in seinem Kinderzimmer vor dem Computer und zockt, schaut Filme, bezieht Hartz-IV und sucht erfolglos in Partnerbörsen eine Freundin. Krasser Einzelfall, oder doch nicht so Einzelfall…?

Der Junge wäre echt gut in seinem Job und liegt nun seinen alten Eltern und der Allgemeinheit auf der Tasche. Da er ja auch keine Altersvorsorge betreibt – wohl für immer. Er trinkt nicht, er raucht nicht und futtert nur die Tabletten seines Arztes (Blutdruck, Cholsterin usw….).

Auch er will wohl der “Genießer” bleiben, der er zu sein vorgibt.

Unsere Gesellschaft schleppt ihn durch. Das muß sie aushalten – aber sie muß es nicht auch noch gut oder gar nachahmenswert finden!

Das von unseren Beitragsgeldern finanzierte Angebot “FUNK” für Jugendliche hat auch einen Bock geschossen. Unter dem Tag “#bleibdu” wurde ebenso ein ebenso verstörendes Video online gestellt, bei dem dieser Lebensstil als nachahmenswert unterschwellig suggeriert wurde. Die Netzgemeinde sorgt mittlerweile für eine Depublizierung. Danke dafür.

Es ist ein großer Segen, daß wir in einer solch freien Gesellschaft leben, die fast jeden Lebensstil toleriert. Wer 200 Kilo wiegen mag soll das tun. Wer als Frau mit Männerklamotten rum rennen will (oder auch umgekehrt), bitteschön. Ob ich das “schön” finde liegt in meinen Augen. Nur in meinen. Aber wer mag, soll es jederzeit tun dürfen. Ich setze mich als Pirat jederzeit dafür ein. Ich bin auch absolut dagegen die Kampagne von Dove zu verbieten. Ich bekomme beim Wort “verbieten” schon Pickel. Es ist alles erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten ist. Auch in unserem Untertanenland. Der Staat hat sich mit Verboten zurückzuhalten. Vor allem, wenn sie Anderen keinen direkten Schaden zufügen. Dafür erwarte ich auch von unserer Staatsverwaltung, daß sie sich an die Gesetze hält. Da enttäuscht sie mich.

Ich bin auch auch heftig dagegen solchen Blödsinn wie die Dove-Kampagne oder das FUNK-Video unwidersprochen zu lassen. Wir müssen diesen Diskurs führen und die Beteiligten müssen ihn aushalten. So ist Demokratie und Demokratie finde ich geil. Die Tendenz erst das Staatsvolk immer mehr verblöden und dann immer mehr vorzuschreiben, weil das Volk ja jetzt doof ist, halte ich für einen Trend gegen den sich jeder Einzelne stemmen muß. Durch Bildung, Konsum von Informationen und Widerstand gegen Fehlentwicklungen. Der Staat agiert mit Angst und reagiert durch Widerstand. Isso. Damit kann jeder arbeiten. Als Individuum oder als Kollektiv, zum Beispiel in einer Partei.

Ich werde mich jetzt gleich meinem Frühstück zuwenden. Vanilleskyr mit frischen Erdbeeren. Bis jetzt machen mich zu Mittag noch selbstgemachte, fettfreie Dönerchips an. Ich entscheide da aber spontan nach Lust. Das Abendessen muß noch hausintern besprochen werden. Aktuell wären Gnocchi mit einer kalorienarmen Sauce mein Vorschlag. Mit 150kcal. Knabberei am Abend wäre ich dann unterm Strich bei 1500kcal Tagesaufnahme. Passt!

2 Gedanken zu „92,5kg und schlechte Vorbilder“

  1. Grundsätzlich stimme ich ja zu, aber dass Raucher- und Übergewichtskosten unterschiedlich sind, da würde ich mir Belege wünschen. Entlastung der Rentenkasse durch “Frühableben” ist auch eine Folge des Übergewichts – Krebsbehandlungen sind m.W. nicht kostengünstiger als Diabetes und auch Übergewichtige zahlen Steuern, auch wenn der Steuersatz für Nahrungsmittel unter dem für Zigaretten liegt.

    Generell finde ich auch, dass man das nicht so wichtig nehmen sollte, wer welche Kosten verursacht – jeder schielt immer zu den anderen, die einen lassen sich piercen und riskieren eine Entzündung, die Geld kostet, die nächsten wählen einen unfallträchtigen Sport (Besser Joggen als Fußball? Besser Schwimmen als Joggen? Oh je, Ski fahren …), was beim Unfall Geld kostet, die übernächsten tun etwas anderes – wer sein Leben so führt, dass er in jedem Lebensbereich das Risiko minimiert, die Allgemeinheit Geld zu kosten, der werfe den ersten Stein.

    Da gibt es einfach weitaus bessere Argumente fürs Vorhaben, Süchte und gesundheitsschädigendes Verhalten in den Griff zu bekommen 🙂

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